Ein offener Brief an Die Bandbreite

Es ist interessant wenn sich Leute wie Jürgen Elsässer über Faschisten in der Ukraine echauffieren, während sie hierzulande zum Zusammenschluss mit Neonazis aufrufen oder gar bestreiten, dass es sich um Neonazis handeln würde. Ein randalierender und marodierender HoGeSa-Mob ist für Elsässer dann eben auch mal eine „antifaschistische Demo“. Mit Elsässer seid ihr laut der taz ja auch gerne mal aufgetreten. Auch Du, lieber Wojna, hast auf diversen Montagsmahnwachen und bei den Engagierten Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“ (Endgame) flammende Plädoyers gegen die „faschistische Regierung“ in der Ukraine gehalten. Du regst Dich also über den Faschismus mitten in Europa auf. Und das tust Du zweifelsohne vollkommen zurecht! Aber wenn Dich Faschos so stören, wieso trittst Du beispielsweise auf den „Anti Zensur Koalitionen“ (AZK) des evangelikalen Sektengründers Ivo Sasek auf? Sasek verbeitet nicht nur über seine Online-Sender klagemauer.tv und jugend-tv.net geschichtsrevisionistische bis rechtsradikale Propaganda, er bietet auf seinen AZK-Veranstaltungen auch regelmäßig Holocaustleugnern und Geschichtsrevisionisten wie Sylvia Stolz oder Bernhard Schaub ein Forum. In einem Videostatement sagtest Du, dass Du die AZK schätzen würdest, denn dort würden „Dissidenten“ zu Wort kommen. Die Regierung in der Ukraine ist faschistisch, weil Rechtsradikale mitregieren und hierzulande sind Faschos auch mal „Dessidenten“? Hmmm… Komisch auch, dass Du die legidlich die rechtsextreme Regierungsbeteiligung in der Ukraine kritisierst, aber nicht die Unterstützung der prorussischen Separatisten durch neonazistische Gruppierungen, wie etwa der Russischen Nationalen Einheit.

In Eurem Musikvideo zu Du bist mein Freund solidarisiert Ihr Euch außerdem mit Michael Vogt, der u.a. mit seinem geschichtsrevisionistischem Film Geheimakte Hess in die Kritik geraten ist. Dazu passt dann auch Euer geschichtsrelativierendes Lied Danke für das Monster, aber das Thema haben wir schon an anderer Stelle ausführlich behandelt.

Und warum macht es Euch anscheinend wenig aus, dass Rechtsextremisten mit Euch bei Endgame marschieren und warum duldet Ihr offenen Antisemitismus? Auf diversen Fotos sieht man Dich, lieber Wojna, zusammen mit Thomas “Steiner” Wulff (NPD) – auch wenn Du Dich im Nachhinein ahnungslos gibst und das Entstehen des Fotos mit einer absurden Verschwörungstheorie rechtfertigst, wonach es sich bei dem Fotografen um einen Agenten des Verfassungsschutzes handeln würde. Wulff ist allerdings längst nicht die einzige zweifelhafte Gestalt die sich im Umfeld von Endgame herumtreibt. Auf vergangenen Veranstaltungen durfte beispielsweise der ehemalige „Blood & Honour“-Kader Sven Liebich (ein Geschäftspartner von Ken Jebsen) sprechen oder der Reichsbürger, Rechtsextremist und verurteilte Holocaustleugner Christian Bärthel die Haftentlassung Horst Mahlers fordern. Auch der Deutsch-Palästinenser Fuad Afane ist ein gern gesehener Redner bei Endgame. Afane behauptet u.a., dass die Zionisten“ die Protokolle der Weisen von Zion befolgen würden und fällt regelmäßig mit rassistischen Parolen wie „Aschkenasim sind keine Semiten. Ausländer raus aus Palästina!“ auf.

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Inzwischen engagiert sich ebenfalls die Ex-Pegida-Frontfrau Kathrin Ortel bei Endgame und hat für ihren Wechsel von Pediga zu Endgame in der Talkshow von Maybritt Illner eine ziemlich wirre Begründung abgeliefert.

Mittlerweile frönt man bei Endgame einen noch unverblümteren Antisemitismus als auf den Montagsmahnwachen. Auf der offiziellen Facebookpräsenz fantasiert man beispielsweise von Wladimir Putin als einen respektablen Führer“ der die Welt vom Joch des Imperiums der jüdischen Lobby“ befreien wird. Mehr dazu auf Friedensdemo-Watch.

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Bild-Quelle: PEGADA-Watch

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Bild-Quelle: PEGADA-Watch

Und dann Euer Ulfkotte-Posting vom 9. November 2014:

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Nun ja, Wojna. Du echauffierst Dich häufig darüber, dass die Medien Feindbilder wie „den Moslem“ schaffen würden. Ich kann mich aber nicht erinnern, wann ich mal vergleichbar islamfeindliche und rassistische Ausfälle wie die eines Udo Ulfkotte (Stichwort „Fäkalien-Dschihad“) im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder in seriöseren Printmedien erlebt habe. Ich will damit keineswegs die angeblich ach so pöhsen Mainstreammedien in Schutz nehmen. Ich will damit nur verdeutlichen, dass Ihr mit doppelten Maßstäben messt – eben genau wie ein Jürgen Elsässer. Die Kritik an Rechtsextremismus wird nicht durch die Zusammenarbeit mit Rechten glaubwürdiger und die Kritik an Islamfeindlichkeit wird nicht durch den Support von islamophoben Hetzern glaubwürdiger. Könnte es sein, dass Ihr nur aus dem Grund gegen die Faschisten in der Ukraine seid, weil sie vermeintlich von den USA gefördert werden? Eben genau von der „Elite“ die laut eurem Track „Danke für das Monster“ ebenfalls das Dritten Reich und Hitler zu verantworten hat? Könnte es sein, dass auch ein Jürgen Elsässer oder ein Michael Vogt nur gegen die angeblich US-geförderten Faschisten sind, weil der Amerikanismus für sie die „Verneinung der Volksgemenschaft“ und der „Globalismus“ die „Volkszersetzung“ durch eine international-monopolkapitalische Elite darstellt? Habt Ihr euch mal gefragt in welcher Tradition diese agitative Trennung in „raffendes“ und „schaffendes Kapital“ steht? Auch mit Xavier Naidoo solidarisiert ihr Euch weil er behauptet, dass Deutschland ein besetztes Land sei. Systemkritik bedeutet für Euch offensichtlich nur: Hauptsache gegen Amerika. Aber ich höre schon auf, denn sobald man derartige Argumentationen kritisch beleuchtet oder mit komplexeren Erklärungsmodellen als „Infokrieg“-Niveau argumentiert, ist man ja für Euch ein verpöhnter „Antideutscher“.

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Aber wer ist für Euch überhaupt ein Antideutscher? Zu welcher Antifa bekennt Ihr euch also? Das konnte man auf diversen Endgame-Demonstrationen beobachten, wie beispielsweise hier in Hannover:

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Wojna (Die Bandbreite) am 14.03.2015 bei Endgame in Hannover.

Eine „Antifa“ mit Thor Steinar-Klamotten und Antifaflaggen, die Transparente mit nationalistischen Parolen wie „Schluss mit der Besatzung Deutschlands! Freiheit für das deutsche Volk!“ hochhält, ist wohl eher ein schlechter Witz. Eine Antifa die generell gegen Nation, Staat und Kapital auftritt, zählt nach dieser Logik für Euch wohl per se zu den „Antideutschen“.

Eben weil Ihr mit doppelten Maßstäben messt, weil ihr offenen Antisemitismus und nationalistisches wie reaktionäres Gedankengut toleriert und weil sich Euer verkürzter Antikapitalismus und selektiver Antifaschismus auf dem primitiv-nationalbolschewistischem Niveau eines Elsässers bewegt, seid Ihr für mich weder Antifaschisten noch Linke.

Von der Querfront und dem Wahn vor »Antideutschen«

In unserem letzten Artikel ging es um Pedram Shahyar und seine Argumentation, wonach Querfront lediglich ein Phänomen der 1930er Jahre des letzten Jahrhunderts sei. Wir haben an den Beispielen der Bewegung »Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas« (Endgame) und Jürgen Elsässer gezeigt, dass die Querfront-Strategie auch heute noch eine aktuelle Erscheinung ist. Auch das neurechte Jugendmagazin Blaue Narzisse nimmt explizit Stellung zum Thema Querfront.

Im Rahmen des Forschungsberichts Occupy Frieden wurden Teilnehmer*innen der Mahnwachen für den Frieden befragt und auf dieser Basis wurden unter anderem Rückschlüsse auf eine mögliche Querfront gezogen. Shahyar zitierte die Studie auf seinem Facebook-Profil. Allerdings ließ er dabei für ihn nicht genehme Textpassagen weg.

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Daraufhin antwortete Shahyar einer der Wissenschaftler die den Forschungsbericht herausgegeben haben:

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Unser letzter Artikel Pedram Shahyar und die Querfront wurde ebenfalls in diveren Facebook-Gruppen der Mahnwachen diskutiert. Einer der besonders krassen Kommentare aus der Facebook-Gruppe »Freundeskreis Montagsdemo Frankfurt« sei hier beispielhaft angeführt:

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Die Mahnwachen sind inzwischen weitestgehend eingeschlafen. Und aufgrund der mehr als zweifelhaften Umtriebe auf diesen Veranstaltungen ist das auch besser so. Eine progressive soziale Bewegung muss den »subjektillusorischen Charakter eines in Gang gesetzten wirtschaftlichen Effizienzsystems« erkennen »anstatt in kruden und rassistischen Vergeltungsphantasien einzelne Eliten mit vermeintlich angeschlossener Religionszugehörigkeit die historische Schuld für die Ungleichheiten dieser Welt in die allzu bekannten Schuhe zu schieben« und absurden Verschwörungsideologien anzuhängen, wie es die Website der linken Zeitschrift Potemkin in einem sehr lesenswerten Artikel zum Friedenswinter auf den Punkt bringt. Wenn wir Eines aus unserer deutschen Geschichte gelernt haben, dann ist es doch gerade die Tatsache, dass eine regressive Systemkritik unweigerlich in rechter Ideologie und somit in Barbarei mündet. Und diese Lektion mussten wir in Deutschland besonders schmerzhaft erlernen. Aus diesem Grund haben sich progressive Kräfte und die »alte Friedensbewegung« entweder von Anfang an oder mittlerweile aufgrund eigener Erfahrungswerte von den Mahnwachen distanziert. Auch Monty Schädel, der Politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), hat sich letztendlich nach einer anfänglichen Kooperation deutlich vom aus den Mahnwachen für den Frieden hervorgegangenen Friedenswinter abgegrenzt. Gegenüber der taz sagte er:

»Der Grundkonsens der Friedensbewegung war immer, dass sie internationalistisch, antimilitaristisch und antifaschistisch ist. Das muss wieder Konsens werden. Es gibt im Bundesgebiet eine Reihe von Aktivisten in der Friedensbewegung, die mit Leuten auf die Straße gehen, die sich zumindest nach rechts offen verhalten. In Halle standen vor zwei Wochen Redner auf der Bühne, die nationalistische Terroristen hochloben und Reichsbürgerpropaganda betreiben. Es ist indiskutabel, so etwas zu tolerieren. Der Friedenswinter war ein Versuch, der gescheitert ist.«

Auch bei Blockupy reagiert man skeptisch auf Kooperationen mit den Mahnwachen:

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Diverse Protagonisten der Mahnwachen für den Frieden engagieren sich ebenfalls bei Endgame. Darauf sind wir bereits in unserem letzten Artikel eingegangen. Beispielhaft sei hier das verschwörungsideologische Hip Hop-Duo Die Bandbreite genannt. Die Bandbreite betont immer wieder, dass sie sich als eine linke und antifaschistische Band versteht. Auf Facebook konnte man folgenden Kommentar dazu lesen:

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Zu welcher Antifa bekennt sich also Die Bandbreite? Das kann man auf diversen Endgame-Demonstrationen beobachten, wie beispielsweise hier in Hannover:

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Wojna (Die Bandbreite) am 14.03.2015 bei Endgame in Hannover.

Eine selbsternannte Antifa die Transparente mit nationalistischen Parolen wie »Schluss mit der Besatzung Deutschlands! Freiheit für das deutsche Volk!« hochhält, ist wohl eher ein schlechter Witz. Siehe dazu auch unser diesbezügliches Posting auf Facebook. Eine Antifa die generell gegen Nation, Staat und Kapital auftritt, zählt nach dieser Logik wohl per se zu den »Antideutschen«.

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Reichsbürger mit der Flagge Preußens und selbsternannte „Antifas“ mit nationalistischen Transparenten bei Endgame in Hannover.

Auch die Sängerin Maren Strassner, die unter dem Künstlernamen Morgaine auftritt und neben Die Bandbreite und Kilez More regelmäßig auf diversen Mahnwachen musiziert, hat einen geradezu paranoiden Verfolgungswahn vor »Antideutschen« (bzw. dem was sie für antideutsch hält) entwickelt. Beispielhaft sei hier auf einen Vorfall verwiesen, der sich im Rahmen ihres Crowdfunding-Projekts für ihr Musikalbum ereignet hat. Ein Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) hatte der Musikerin 800 Euro zukommen lassen. Allerdings wollte sie das Geld nicht anehmen, da sie befürchtete, dass selbst die AfD durch Antideutsche unterwandert sei.

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Auch als ein Auto eines der Organisatoren der Mahnwache in Leipzig in Flammen aufgring, behaupteten Pedram Shahyar, Lars Mährholz, Ken Jebsen und andere Mahnwachen-Aktivisten unmittelbar nach dem Vorfall, dass es sich um einen Brandanschlag durch Antideutsche handeln würde. Bei einer durch die Polizei eingeleiteten Untersuchung des Autos hat sich anschließend herausgestellt, dass es sich lediglich um einen technischen Defekt handelte, der den Brand des Wagens verursachte. Siehe dazu hier, hier, hier und hier.

Natürlich wird auch Pedram Shahyar nicht müde permanent vor den Machenschaften der »imperialen Antifa« [sic] der Antideutschen zu warnen, die scheinbar überall ihre Finger im Spiel haben und hinter jeder Ecke lauern. Das hat mitunter zu einigen satirischen Auseinandersetzungen mit Shahyars Wahn geführt. Hier ein paar Beispiele die auf Facebook und diversen Blogs kursieren:

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Aber woher kommt nun eigentlich dieser Wahn vor den Antideutschen? Dazu ein Auszug aus dem Artikel Was heißt „antideutsch“?:

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Anmerkungen zur praktischen Bedeutung eines Kampfbegriffs

Ein Gespenst geht um in deutschen Internetforen, Blogs und Social Networks: das Gespenst des „Antideutschismus“.

Immer wenn irgendjemand kritische Anmerkungen zu verschwörungstheoretischen oder antisemitischen Thesen äußert, taucht seitens der Kritisierten früher oder später die Anschuldigung auf, der Betreffende sei wohl ein „Antideutscher“.
Offenbar soll damit zum Ausdruck gebracht werden, daß, wer den Antisemitismus kritisiert, in den Augen dieser Leute kein guter Deutscher sein kann.

Das Feindbild des bösen „Antideutschen“ findet sich sowohl im rechtsextremistischen Umfeld, etwa bei der NPD (N13, D17), als auch bei verschwörungsgläubigen Politsekten wie der BüSo (B25, S. 4ff) und den selbsternannten „Infokriegern“ der sogenannten „Wahrheitsbewegung“ (A24) bis hin zu sich als links verstehenden „antizionistischen“ und „antiimperialistischen“ Gruppierungen wie der „Arbeiterfotografie“ (A34) oder auch linksnationalistischen Querfront-Projekten wie Jürgen Elsässers „Volksinitiative“ (J10, J11).

Die wesentlichen Vorwürfe gegen die (oft als „krank“ und „pervers“ beschimpften) vermeintlichen „Antideutschen“ sind mangelnde Treue zu Volk und Vaterland, also zu wenig Nationalismus:
angeblich handelt es sich um Menschen, die ihre Heimat nicht genug lieben, ja sie sogar hassen, was sich darin ausdrücke, daß sie nicht nationalen Interessen dienten, sondern Handlanger volksfremder Mächte (womit Israel und die USA gemeint sind) und der internationalen Hochfinanz seien.

  • Bellizismus:
    angeblich handelt es sich um Verräter am grundsätzlich friedliebenden deutschen Volkscharakter, die die von volksfremden Mächten (siehe oben) betriebene weltweite Kriegstreiberei und imperialistische Eroberungspolitik befürworteten,
  • Linksextremismus:                                                                                                                      angeblich handelt es sich um gewaltbereite anarchistische Horden, die bei Demonstrationen gerne randalieren, Autos anzünden und Ruhe und Ordnung stören. Während dies bei Rechtsextremisten dem gängigen Klischeebild von der „roten Pest“ entspricht, versuchen jene Anti-Antideutschen, die sich selber als „links“ definieren, hier zu differenzieren, indem sie ihr Feindbild als „linksfaschistisch“ titulieren,
  • Philosemitismus, Rassismus, Islamophobie:
    angeblich handelt es sich um verblendet fanatische Israel-Unterstützer (vor der Gründung des Judenstaates hätte man diesen Vorwurf noch anders formuliert, da sprach man gerne von „Judenknechten“), was für die Anti-Antideutschen, die Israel gemeinhin als rassistischen Apartheid-Staat qualifizieren, nur ein Ausdruck einer schlimmen rassisitschen Gesinnung sein kann, ebenso wie das in ihren Augen mangelnde Verständnis für das emanzipatorische Potential des islamischen Fundamentalismus, das sie ebenfalls als Zeichen von Rassismus deuten, als ob der Islamismus eine „Rasse“ sei.

Das Feindbild „Antideutsche“ richtet sich also gegen vermeintliche vaterlandslose Gesellen, Kriegstreiber im Dienst fremder Mächte, Chaoten und Unruhestifter sowie Handlanger jüdischer Vorherrschaft: lauter klassische antisemitische Klischees!

Hat dieses Feindbild überhaupt irgendeine reale Grundlage?

Tatsächlich gibt es eine zahlenmässig bedeutungslose, dem autonomen Spektrum zuzuordnende betont antinationalistische linksintellektuelle Strömung, die sich in den Jahren nach 1989 entwickelt hat und sich selbst als „antideutsch“ bezeichnet.
Pikanterweise gehörte der heutige Anti-Antideutsche Jürgen Elsässer vor seiner Bekehrung zum Linksnationalimus einst zu ihren Gründervätern und soll sogar der Erfinder des Begriffes „antideutsch“ gewesen sein, den er damals noch positiv verstand, als eine notwendige Absage an einen neuen Nationalismus. Mittlerweile hat er seine Ansichten bekanntlich gründlich geändert.

Die reale antideutsche Strömung versuchte sich angesichts der Wiedervereinigungseuphorie kritisch mit der Problematik des deutschen Nationalismus sowie der damals beobachtbaren Zunahme rassistischer Übergriffe auseinanderzusetzen. Im Rahmen ihrer Nationalismuskritik entwickelte sie auch eine Sensibilisierung gegenüber den eng mit dem Nationalismus zusammenhängenden Phänomenen Antisemitismus und Antiamerikanismus, die auch in Teilen des linken Spektrums verbreitet waren und sind, was zum Zerwürfnis der betroffenen traditionslinken Strömungen mit ihren „antideutschen“ Kritikern führte. Einige sich als „antideutsch“ verstehende Splittergruppen radikalisierten ihre Kritik am linken Nationalismus in Folge dieser Konflikte bis hin zu tatsächlich fragwürdig erscheinenden Positionen (vgl. H19 u. K27).
Der Kampfbegriff „antideutsch“ richtet sich aber bei weitem nicht nur gegen diese reale, praktisch jedoch bedeutungslose Minderheit. Meist wird der Vorwurf vielmehr gegenüber Personen und Gruppen laut, die keineswegs dieser Strömung angehören oder auch nur nahestehen. Oft ist den so Gescholtenen nicht einmal deren Existenz bekannt.

Denjenigen, die diesen Begriff als Schimpfwort im Munde führen, geht es ja auch keineswegs um reale innerlinke Debatten und Richtungsstreitigkeiten. Von diesen haben sie auch in aller Regel kaum eine Ahnung, denn ihnen geht es um etwas anderes: ein griffiges Schlagwort zur Diskreditierung von Gegnern und Kritikern. Es geht ihnen nicht um eine differenzierte Analyse der Realität, sondern um die Erzeugung eines Feindbildes.

Da passt es ganz gut, daß sich selbst „antideutsch“ nennende Splittergruppen schon gelegentlich bei Demonstrationen linke Traditionalisten durch das Mitführen von Israel- und US-Flaggen irritierten und provozierten.

Da passt es auch ganz gut, daß die „antideutsche“ Strömung im Zusammenhang mit dem autonomen Spektrum auch schon mal in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde und dabei sogar von Gewaltbereitschaft die Rede war. In diesem Fall wird der Verfassungsschutzbericht auch gerne mal von Leuten zitiert, die sonst nicht so gut auf den Verfassungsschutz zu sprechen sind, weil sie in dessen Berichten ein paar Seiten weiter selber ausführlich Erwähnung finden.

Gegen wen wird das Schlagwort „antideutsch“ als Schimpfwort instrumentalisiert?

Das Urteil „antideutsch“ kann jeden treffen, der es wagt, sich öffentlich in irgendeiner Weise gegen Nationalismus, Rassismus, Verschwörungstheorien und Antisemitismus zu positionieren.
Es kommt vornehmlich aus dem Munde von Leuten, deren weltanschauliches Zentrum jene Spielart des Antisemitismus bildet, die sich selbst gerne als „Antizionismus“ bezeichnet. Diese bildet nämlich das gemeinsame Bindeglied zwischen „Antiimperialisten“ und „Friedensfreunden“ aus der rechten wie aus der linken Ecke bis hin zu jenen Vertretern des verschwörungstheoretischen Narrensaums, die von sich behaupten weder links noch rechts zu sein, sondern diese in ihren Augen unzeitgemässe und die Einheit der Volksgemeinschaft unnötig spaltende Unterscheidung hinter sich gelassen zu haben.

Praktisch alle, die andere als „antideutsch“ beschimpfen, sehen sich selber als „antizionistisch“.
Hier wird also eine Polarität zwischen Antizionismus und Antigermanismus postuliert, d.h. ein absoluter Gegensatz zwischen Juden und Deutschen.
Wer nicht gegen Israel ist, der muß gegen Deutschland sein.
Der „Zionist“ genannte (böse) Jude (oder „Judenfreund“) steht gegen den (guten) Deutschen.
Der Antipode des guten Deutschen ist der böse Antideutsche: das Gegenteil eines Deutschen, ein Verräter und Feind des (deutschen) Volkes.
Dieses Weltbild unterscheidet sich nicht mehr von dem eines Houston Stewart Chamberlain oder eines Alfred Rosenberg!

Man kann daraus mit Fug und Recht die Schlußfolgerung ableiten: wann immer jemand gegen sogenannte „Antideutsche“ zu Felde zieht, dann haben wir es in der Regel mit einem völkischen Nationalisten und weltanschaulichen Antisemiten zu tun. Ob er sich selbst so definiert und das offen zugibt oder ob er es zu kaschieren versucht, weil er sich als „Linker“ mißverstehen will: die Sprache entlarvt sich selbst und die Wortwahl offenbart das dahinter stehende Weltbild.

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Quelle: http://www.antifaschismus2.de/argumente/gegenargumente/251-was-heisst-antideutsch