Charlie Hebdo – Der Verschwörung zweiter Teil

Wir haben uns bereits hier und in einem Gastbeitrag hier mit den Verschwörungstheorien rund um Charlie Hebdo auseinandergesetzt. Inzwischen sind auch erwartungsgemäß weitere Verschwörungspropagandisten wie RT Deutsch, der Kopp Verlag oder Rüdiger Lenz auf den Zug gesprungen.

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Wenn es darum geht eine blutige Tragödie ideologisch auszuschlachten, dann lassen Aasgeier wie Jebsen oder Elsässer nicht lange auf sich warten.

Der aus Russland staatlich finanzierte Russia Today-Ableger RT Deutsch spekuliert etwa darüber, ob die Attentäter auf Charlie Hebdo gar nur mit Platzpatronen geschossen hätten.

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Aber Antworten auf Fragen wie nun die Einschusslöcher auf den attackierten Polizeiwagen gelangt sind oder ob die vermeintlichen Todesopfer – wie beispielsweise der Polizist Ahmed Merabet – nun zwecks Geheimhaltung den Rest ihres Lebens entweder Piña Coladas in der Karibik schlürfen dürfen oder aber in der Hohlerde mit den Reptilienmenschen verbringen müssen, lässt RT Deutsch freilich offen. Allerdings ist RT Deutsch in der Vergangenheit bereits durch eine ganze Reihe von Falschmeldungen und Manipulationen aufgefallen.

Gerhard Wisnewski hingegen behauptet auf Kopp Online, dass das Video von der Erschießung des Supermarkt-Geiselnehmers Amedy Coulibaly zeigen würde, dass es sich um eine Exekution Coulibalys durch die Polizei gehandelt habe. Zitat: „Genaue Bild-für-Bild-Analysen des Videos haben nun enthüllt, dass Coulibaly keine Waffe in der Hand hielt und gefesselt war, als er aus dem Laden sprang. Offenbar wurde er wie ein Stück Wild vor die Läufe der schießwütigen Bande getrieben“. Spielt man das Video allerdings in Slow Motion ab, dann erkennt man sehr wohl, dass Coulibaly erstens eine Waffe in der Hand hält und zweitens zeitweise seine Arme von sich streckt:

Rüdiger Lenz (Autor des Buches „Das Nichtkampf-Prinzip“, Aktivist bei den Montagsmahnwachen und dem „Friedenswinter“) spekuliert hingegen nicht erst ob es sich nun um eine False Flag-Aktion oder einen Inside Job gehandelt hat, sondern präsentiert auch gleich die vermeintlichen Täter.

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François Hollande hätte laut Lenz in seiner Ansprache nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo behauptet, dass die Geheimgesellschaft der Illuminaten hinter dem Angriff stecken würde. Hollande sagte nämlich in seiner Rede: „Ces fanatiques, ces illuminés, n’ont rien à voir avec la religion musulmane“. Hätte Lenz in einem Wörterbuch nachgeschlagen, dann wüsste er, was es mit dem französischen Wort illuminés auf sich hat: „illuminé(e): Personne dénuée d’esprit critique, qui soutient une doctrine avec une foi aveugle, un zèle fanatique“. Der Begriff bezeichnet also jemanden der unkritisch eine Ansicht/Lehre mit fanatischem Eifer unterstützt. In der Tat würde diese Beschreibung auch auf so man einen Zeitgenossen zutreffen, der jeden noch so absurden Nonsens blind glaubt, den ihm die Propagandisten der deutschsprachigen Verschwörungsindustrie so vorsetzen. Das einzige Wahrheitskriterium scheint oftmals zu sein ob eine Information dem eigenen Weltbild entspricht oder eben nicht.

Was verbindet Verschwörungsideologien und Religionen noch? Die Konstruktion des absoluten Bösen und des Guten als maßgebliches Welterklärungsmuster. Im wahnhaften Extremfall führt dieser Dualismus dazu, dass dieser vermeintlich als das personifizierte Böse (oder im Dienste des Bösen stehende) wahrgenommene Personengruppe die Lebensberechtigung abgesprochen wird. Die historischen und aktuellen Beispiele hierführ sind mannigfaltig. Man denke beispielsweise nur an die Hexenverbrennungen, Hitlers eliminatorischen Antisemitismus oder die Ideologie des Islamischen Staates. Siehe dazu auch unseren Artikel über die Gefahren von Verschwörungsideologien.

Abschließend sei zum Thema Verschwörungstheorien um Charlie Hebdo noch auf ein empfehlenswertes Video von Rayk Anders verwiesen:

Siehe dazu auch:

http://jungle-world.com/artikel/2015/03/51241.html

Er und sein Kollege Breivik – Jebsen dreht weiter am Rad

Charlie Hebdo – Die ideologische Ausschlachtung eines Massakers

Charlie Hebdo und die Verschwörungstheorien

http://www.heise.de/tp/artikel/43/43809/1.html

http://www.huffingtonpost.de/2015/01/11/paris-attentat-verschwoerungstheorien_n_6450856.html

http://motherboard.vice.com/de/read/geballte-digitale-medienkompetenz-erklrt-charlie-hebdo-angriff-zu-false-flag-op

http://herrkarlsblog.blogspot.ch/2015/01/uber-inszenierung-undcui-bono.html

http://herrkarlsblog.blogspot.ch/2015/01/albrecht-muller-empfiehlt-andreas-von.html

Charlie Hebdo und die Verschwörungstheorien

Ken Jebsens Leichenfledderei (Teil 1)

Ken Jebsens Leichenfledderei (Teil 2)

Die Kentrail-Verschwörung 1

Die Kentrail-Verschwörung 2

Friedensdemo-Watch 1

Friedensdemo-Watch 2

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Ken Jebsen und das »jüdisch-angelsächsische Kapital«

Ken Jebsen sagte in seinem YouTube-Video »KenFM über: Zionistischer Rassismus« folgenden bemerkenswerten Satz:

»2 – 3 % der Amerikaner haben jüdische Wurzeln. Zum Vergleich: 25 % haben Deutsche. Im Gegensatz zur deutschen Community stellen die 2 – 3 % der US-Amerikaner mit jüdischen Roots aber 25 – 30 % der reichsten Familien des Landes. Wer das behauptet? Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes. Dieses Geld wird überall eingesetzt, um eigene Interessen durchzusetzen.«

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Ken Jebsen redet sich auf einer Berliner Montagsmahnwache in Rage (Bild: YouTube-Screenshot)

Ob Ken Jebsen ein Antisemit ist? Und was er meint beweisen zu können, wenn er die Forbes-Liste der reichsten Amerikaner unter religiösen oder gar ethnischen Gesichtspunkten aufschlüsset? Diese Fragen vermag wohl nur er selbst zu beantworten. Fakt ist, dass Jebsen häufig mit alten antisemitischen Ressentiments spielt. Wer fühlt sich bei derartigen Aussagen nicht unangenehm an Adolf Hitlers Kampfreden gegen das »jüdisch-angelsächsische Kapital« erinnert (siehe beispielsweise Adolf Hitlers Kampfrede gegen die jüdisch-angelsächsische Weltverschwörung im Berliner Sportpalast am 30. Januar 1941)?

Aber gibt es nun in den USA eine Finanzelite die jüdische Partikularinteressen verfolgt? Die Website haGalil schreibt dazu: »Die internationalen Finanzmärkte arbeiten nach einer anderen Logik als der von nationalstaatlichen oder gar „rassebiologischen“ Ressentiments. Die Kapitalströme werden von transnationalen Konzernen praktisch ungehindert dorthin geleitet, wo sie am meisten Gewinn bringen. Sie sind längst nicht mehr an nationale Grenzen gebunden oder gar an völkische Interessen, geschweige denn an „jüdische“. Nationale Schutzzölle gibt es fast nicht mehr. Die Eigentumsverhältnisse an den erzielten Gewinnen werden über die Aktienmärkte verteilt. Privataktionäre spielen heute in diesem Verteilungswettbewerb keine große Rolle, sondern Unternehmensbeteiligungen, Fonds und Kapitalgesellschaften. Deren Organisation ist global, nicht national ausgerichtet. In der heutigen Zeit haben nationale Wirtschafts- und Produktionsstrukturen keine Chance mehr, rentabel zu sein. Das haben auch sozialistische Staaten, wie z.B. China erkannt, – und längst damit begonnen, eine internationale Marktwirtschaft zu betreiben. Abgesehen von der reinen Geldvermehrung profitieren Kapitaleigner weltweit von der menschlichen Arbeitsfähigkeit – in der Finanzsprache heute wohl treffender als „Wertschöpfungskraft“ bezeichnet. Vor dieser Arbeitsfähigkeit haben sie also ganz sicher keine Angst. Man sieht, dass die nationalistische Argumentation in wirtschaftlichen Zusammenhängen ins Leere geht, da nationalstaatliche Kriterien bei den transnationalen Konzernen „den so genannten „Global Players“ – heutzutage keine Rolle mehr spielen«.

In diesem Zusammenhang soll an dieser Stelle auch auf das neue Onlinetool der Amadeu Antonio Stiftung gegen Antisemitismus in Sozialen Netzwerken hingewiesen werden.

Link: http://www.nichts-gegen-juden.de/

Siehe dazu auch:

https://www.freitag.de/autoren/dame-von-welt/kenfm-rassistischer-zionismus

http://schwarzerschmetterling.org/index.php?id=78

http://michaelbittner.info/2014/05/08/ken-jebsen-oder-wahnsinn-mit-methode/

http://www.hagalil.com/archiv/2006/03/finanzjuden.htm

Charlie Hebdo und die Verschwörungstheorien

Zur geschmacklosen Vermengung von realem Terror und Verschwörungstheorien

Analyse des YouTube-Videos „KenFM: Terror lebt vom Timing“

Ein Gastbeitrag von John Wu

„Gelenkte Demokratie“, „wir werden benutzt“, „das Weltgeschehen ist die Kulisse, dahinter – im Geheimen – spielt sich alles ab“…
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Wenn ich so etwas schon höre…
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Obwohl das Konzept der im Hintergrund stattfindenden Verschwörungen festes Sendekonzept von KenFM zu sein scheint, schafft es der Moderator im aktuellen Beitrag endgültig, sich die Krone des schlechten Geschmacks aufzusetzen, indem er auf dem Rücken der Opfer in Paris absurdeste Verschwörungstheorien unter seinen (z.T. jungen) Zuschauern verbreitet. „Terror lebt vom Timing“ – um zu begreifen, was bereits der Titel suggeriert, genügt ein Blick auf einzelne Textstellen.
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Ken Jebsen: »Nur was auch passt ist die Erkenntnis, dass es in der Politik und damit in der Geschichte keine Zufälle gibt.«

Der Autor entwirft gleich zu Beginn einen Zusammenhang zu den Anschlägen vom 11. September 2001. Der „informierte“ Zuhörer weiß natürlich, worauf der „Journalist“ Ken Jebsen damit anspielt: Dass alles, was an diesem folgenschweren Tag im Fernsehen zu sehen war, nur die gut inszenierte Aufführung einer mächtigen, im Hintergrund agierenden Gruppe von Verschwörern war, die die Fäden des Weltgeschehens von Amerika bis Israel fest im Griff halten.
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Doch damit nicht genug. In coolen Jugendsprech („hier liegt der Hase im Pfeffer“) erfahren wir, dass dies ziemlich wahrscheinlich auch im aktuellen Fall, den Attentaten von Paris, so war. Was das für ein junges Gehirn auf der Suche nach Erklärungen für die komplexen Geschehnisse der Welt – zumal im Zustand der Verunsicherung nach einem Terroranschlag – bedeutet, kann verharmlosend als politische Verdummung bezeichnet werden. „Fakt ist, die Täter in Paris agierten wie Profis (…), sie bewegten sich wie ausgebildete Special Forces“. Damit ist klar, wer die Anschläge zu verantworten hat: Nicht etwa menschenverachtende islamistische Idioten, sondern „Special Forces“- wahlweise ausgebildet vom Westen, der Nato oder eben – dem Ami.
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Von KenFM getwitterte Karikatur des antisemitischen Karikaturisten Carlos Latuff. Diese Karikatur veröffentlichte Jebsen am Tage einer Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris und zwei Tage nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo.

So geht es weiter. Der – französischen – Politik wird vorgeworfen, einen „Ersatzfeind“ zu kreieren, um von anderen Problemen abzulenken. Die französische Presse müsse sich fragen lassen „wie unabhängig“ sie ist. Flug MH17, die NSA, aber auch Statistiken, die die Häufigkeit, vom Blitz getroffen zu werden, mit der Häufigkeit, Opfer islamistischer Anschläge zu werden, in Verbindung bringen, werden zusammengerührt. Alles unter den Eindrücken der Anschläge von Paris.

Das ist nicht nur extrem geschmacklos, die Umdeutungen der Vorgänge tendiert ins Wahnhafte. Die „Amerikanisierung von Europa“ zuletzt setzt dem ganzen den Hut auf. In einer Zeit, in der jeder und jede auf die Straße geht, weil er/sie sich von „Scheinbarem“ bedroht fühlt, zeigt dies nur, welches ganz persönliche Bedrohungsszenario der Moderator favorisiert.

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Religiöser Fundamentalismus und Märtyrertum? Passt für Jebsen nicht zusammen.

Was hier angeboten wird, könnte man verharmlosend als eine Art „RTL2“ der politischen Bildung betrachten, als ein dumm – bildendes Element unter vielen, das die selbsternannten „alternativen Medien“ in ihrem Selbstverständnis der Mainstream- und „Lügenpresse“ entgegenhalten. Es ist schlimmer. Die ständige Indoktrination, dass hinter allem eine verborgene Wahrheit liegt, erzeugt beim (vermutlich politisch eher ungebildeten, aber neugierigen) Zuhörer Angst und Ohnmachtsgefühle. Die permanente Nichtanerkennung von realen und politischen Vorgängen und das Umdeuten des Weltgeschehens ist eben alles andere als fundierte Kritik an Staat, Medien und Gesellschaft. Sie schürt stattdessen irrationales Misstrauen und bewirkt das Gegenteil von politischem oder gesellschaftlichem Engagement beim Zuhörer. Wer einmal davon infiziert ist, wird der Welt gegenüber misstrauisch, nimmt nicht mehr aktiv teil, sondern schottet sich ab, wird passiv. Dort im Stillen wartet er dann auf die nächste große Verkündung „hintergründiger“ Informationen des selbsternannten Propheten. Oder, noch schlimmer, er wird zur unkritischen Manövriermasse gewissenloser Demagogen.

Charlie Hebdo – Die ideologische Ausschlachtung eines Massakers

Am 7. Januar 2015 stürmten gegen 11:30 Uhr zwei mit Kalaschnikows bewaffnete vermummte Männer die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo und ermordeten zwölf Menschen. Es handelte sich um die Gebrüder Saïd und Chérif Kouachi. Die beiden Franzosen waren die Kinder algerischer Eltern und wurden unter dem Einfluss des islamistischen Predigers Farid Benyettou religiös-politisch radikalisiert. Es handelte sich also um Islamisten mit Migrationshintergrund und diese Tatsache lässt sich leider in Zeiten von Pegida und erstarkenden rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa prima instrumentalisieren. Just zu diesem Zeitpunkt kochte in Frankreich die Debatte um Islamisierung und Zuwanderung u.a. durch Michel Houellebecqs umstrittenen Roman »Unterwerfung« gerade besonders hoch und so ist es kaum verwunderlich, dass auch die rechtsradikale Partei Front National die Tragödie für sich populistisch ausschlachtet. Die Parteivorsitzende Marine Le Pen ging gar so weit, die Wiedereinführung der Todesstrafe zu fordern. Aber auch in Deutschland spielte das Massaker sowohl der NPD und den Pegida-Demonstranten in die Hände, als auch den Protagonisten der Verschwörungsindustrie. Und so sprudelten auch schon die ersten Verschwörungstheorien aus den Untiefen des Internets hervor, als die Leichen der Opfer noch nicht einmal kalt waren. Ganz so plump wie der britische Braunesoteriker David Icke ging man zwar selten vor, denn Icke behauptete auf Facebook, dass es sich bei der Hinrichtung des Polizisten Ahmed Merabet, die zufällig gefilmt wurde, um einen Fake handeln würde.

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Vermutet David Icke mal wieder die Reptilienmenschen hinter dem Anschlag auf Charlie Hebdo?

Die Beantwortung der Frage, ob Merabet nun sein restliches Leben in Neuschwabenland oder der hohlen Erde verbringen muss, damit der Schwindel nicht auffliegt, ließ Icke freilich offen.

Es war nicht schwer abzusehen, dass auch die deutschen Verschwörungsunternehmer das Massaker für sich ideologisch ausschlachten würden und es war ebenfalls nicht schwer zu erraten, wer die Tragödie welcher sinistren Hintergrundmacht in die Schuhe schieben würde. Jürgen Elsässer etwa verfasste kurz nach dem Attentat einen Artikel mit der Überschrift »Der Terror in Paris zeigt, wie Recht PEGIDA hat! Protestiert gegen den Terror, und nicht gegen PEGIDA!« und faselte etwas von einer False-Flag-Operation militanter Islamisten durch CIA und Mossad, denn Hollande hätte die westlichen Russlandsanktionen abgelehnt und das französische Parlament wolle den Staat Palästina anerkennen. Auch die populäre Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv, die laut Lars Mährholz von einem gewissen Mario Rönsch betrieben wird, teilt die Ansicht, dass es sich um eine Strafaktion Israels handeln würde.

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Hat auch hier mal wieder seine Finger im Spiel: Das Weltzionistentum.

Albrecht Müller hingegen spekuliert auf seinen Nachdenkseiten über False-Flag-Operationen der NATO/CIA-Geheimorganisation Gladio und der Geheimloge Propaganda Due (P2). Ins gleiche Horn bließ auch Ken Jebsen und vermutete in einem YouTube-Video die Nato als Täterin. Zitat KenFM: »Wem nützt dieser Anschlag? Gerade jetzt? Wir wissen aus der dunklen Geschichte der NATO, da sie selber über 40 Jahre unzählige Terroranschläge selber durchführte, oder aber ausführen lies. Durch dritte. .Z.B. einschlägig bekannte Neonazis und Rechtsradikale. Dabei gingen die Täter oft mit der selben Brutalität vor wie jetzt in Paris«.

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Zitat Jürgen Elsässer: „Jedenfalls: Wer jetzt noch gegen PEGIDA demonstriert, spuckt auf die Gräber der Toten in Paris“.

Aber was weckte nun Ken Jebsens Misstrauen an der »offiziellen Version«?

Zitat Jebsen: »Wichtig ist, dass es sich in Paris um muslimische Attentäter handeln soll. Das passt. Schließlich sollen die bewaffneten und vermummten Männer während ihrer Tat den Satz ausgerufen haben: „Wir haben den Propheten gerächt“. In perfektem Französisch«.

Wow, zwei gebürtige Franzosen die perfekt und akzentfrei die französische Sprache beherrschen. Sehr verdächtig! Das lässt wahrlich einen jeden kritischen Geist aufhorchen.

Zitat Jebsen: »Was auffällt ist, dass auch dieses Verbrechen schon geklärt zu sein scheint, bevor die Ermittler eine SoKo zusammenstellen konnten. Es müssen Moslems gewesen sein. Genau wie am 11. September 2001. New York wie Paris wurden nach eigenen Angaben völlig überrascht, und dennoch ist in beiden Fällen immer schon Minuten nach den Anschlägen glasklar, in welchem Milieu die Täter zu finden sein müssen«.

Vermutlich waren bereits der Ausruf »Wir haben den Propheten gerächt« und die Tatsache, dass Charlie Hebdo seit Jahren ob seiner islamkritischen Karikaturen Morddrohungen erhielt und bereits einen Brandanschlag hinter sich hat, starke Indizien dafür, dass es sich bei den Attentätern um Muslime handeln könnte. Ein Indiz dafür, dass es sich bei 9/11 um Muslime handeln könnte, war wohl, dass sich Osama Bin Laden und Al-Qaida kurz nach dem Anschlag öffentlich zu ihrer Täterschaft bekannt haben.

Weiterhin argumentiert Jebsen, dass einer der Attentäter seinen Personalausweis im Fluchtwagen vergessen hätte. Das geschah während die Terroristen das Auto wechselten und dieser Zufall sei nun einmal sehr unwahrscheinlich. Stimmt, im Eifer des Gefechts kann man ja nicht mal einen dummen Fehler machen und sein Portemonnaie liegen lassen, wenn man vor dem gesamten französischen Sicherheitsapparat auf der Flucht ist. Jebsen weiter: »Wer nimmt seinen Personalausweis mit wenn er plant Menschen im grossen Stil zu erschießen?«. Gegenfrage: Warum nicht? Damit man sonst nicht identifiziert werden kann, falls man geschnappt wird? Eugène François Vidocq würde wohl im Grab rotieren, wenn er wüsste, dass man der französischen Polizei nur noch die Kompetenz eines Jacques Clouseau zutraut. Und falls man beabsichtigt sich ins Ausland abzusetzen, so wäre es sicher recht praktisch, wenn man sich auch ausweisen könnte.

Desweiteren stellt Jebsen eine Analogie zu Satam al-Suqami her. Der Pass des 9/11-Terroristen hatte die Explosion überstanden und wurde in der nähe des World Trade Centers gefunden – wie übrigens diverse andere Objekte aus Pappe und Papier auch. Klingt unwahrscheinlich? Stimmt, das klingt wirklich nicht sehr wahrscheinlich. Übrigens, die Raumfähre Columbia brach am 1. Februar 2003, bei ihrem 28. Weltraumeinsatz, beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinander, wobei alle sieben Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Das heißt… es gab durchaus Überlebende. In den Trümmern wurden ein paar Fadenwürmer der Gattung Caenorhabditis elegans gefunden, die zwecks Experimenten im Weltall mit auf die Reise genommen wurden. Wie wahrscheinlich ist das? Und überhaupt: Warum hätten die US-Behörden den Pass ausgerechnet in der Nähe des Tatorts platzieren sollen? Und warum hätten die französischen Behörden den Personalausweis ausgerechnet im Fluchtwagen deponieren sollen? Da hätte man sich durchaus eine kreativere und unverdächtigere Geschichte ausdenken können, um das kriminalistische Geschick der Police Nationale unter Beweis zu stellen.

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Religiöser Fundamentalismus und Märtyrertum? Passt für Jebsen nicht zusammen.

Natürlich ist für Jebsen klar, dass irgendwie auch die Zionisten ihre Finger im Spiel haben müssen, denn schließlich wissen wir aus vielen seiner Vorträgen, wie viel Macht und Einfluss Menschen mit »jüdischen Roots« haben. Und so lässt er es sich nicht nehmen auch in diesem Fall auf sein Lieblingsfeindbild zu referieren:

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Darf zu keinem Thema fehlen: Die obligatorische Anspielung auf die „Antisemitismuskeule“.

Ken Jebsen twitterte also in Anspielung auf die islamkritischen Karikaturen von Charlie Hebdo eine Zeichnung des antisemitischen Cartoonisten Carlos Latuff. Latuff kritisiert mit seiner Karikatur, dass zwar islamkritische Cartoons unter die Pressefreiheit fallen würden, während Kritik am Judentum Antisemitismusvorwürfe nach sich ziehen würde. Aber stimmt diese Behauptung oder spielt Jebsen mal wieder mit antisemitischen Ressentiments, wenn er andeutet, dass ominöse Hintergrundmächte mittels der »Antisemitismuskeule« untersagen, dass scharfe Kritik am Judentum geäußert wird? Werfen wir mal einen Blick auf die Arbeiten von Charlie Hebdo. Stéphane Charbonnier (Pseudonym Charb) ist einer der ermordeten Karikaturisten von Charlie Hebdo. Sein Steckenpferd war u.a. die satirische Auseinandersetzung mit Religionen. Neben der Kritik am Christentum und dem Islam hat sich Charb auch immer wieder satirisch mit dem Judentum befasst. So verfasste er beispielsweise eine Reihe mit dem Titel »Un commandement de la Torah par jour« (Das Gebot des Tages: Die Tora Illustriert von Charb), in der er sich damit auseinandersetzte, dass viele Juden seiner Meinung nach ihre religiösen Werte im Alltag und durch den israelisch-palästinensischen Konflikt ad absurdum führen würden. Auch hier zeigt sich also mal wieder, dass Jebsen antisemitische Verschwörungstheorien bei genauerer Überprüfung ins Leere laufen. Aber vielleicht ist es für Jebsen auch einfach nur unbegreiflich, dass man das Judentum und Israel kritisieren und durch den Kakao ziehen kann, ohne sich antisemitischer Ressentiments und Stereotype zu bedienen.

Bekanntlich kochen besonders in religiösen Belangen die Gemüter der Gläubigen hoch, wenn es um beißenden Spott geht. Mehrmals klagten die katholische Kirche, aber auch islamische Organisationen gegen Charlie Hebdo. Aber muss Satire wirklich ausgewogen und zurückhaltend sein? Kurt Tucholsky schrieb: »Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten. […] Was darf die Satire? Alles«.

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Auch was das Judentum betrifft hat Charlie Hebdo kein Blatt vor den Mund genommen.

Und schließlich kommt Jebsen zu der sensationellen Erkenntnis: »Nur was auch passt ist die Erkenntnis, dass es in der Politik und damit in der Geschichte keine Zufälle gibt«. Was braucht es auch komplexe Erklärungsmodelle, wenn man Feindbilder hat und daher sowieso prinzipiell immer vorher weiß, wer an allem Übel schuld ist? Die gleichgeschaltete Lügenpresse lügt, die Politik ist korrupt, die Wissenschaft ist eingekauft und jeder Kritiker ein bezahlter Desinformant. Es gilt alles und jeden zu hinterfragen – nur eben nicht sich selbst. Wer die absolute Wahrheit und nichts als die Wahrheit wissen will, der muss eben Elsässers Compact-Magazin abonnieren oder KenFM-Videos anklicken, damit Jebsen seine Werbeeinnahmen bekommt. Abschließend bleibt wohl nur noch einen anderen Comiczeichner, nämlich Alan Moore, zu zitieren: »The main thing that I learned about conspiracy theory is that conspiracy theorists actually believe in a conspiracy because that is more comforting. The truth of the world is that it is chaotic. The truth is, that it is not the Jewish banking conspiracy or the grey aliens or the 12 foot reptiloids from another dimension that are in control. The truth is more frightening, nobody is in control. The world is rudderless«.

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Siehe zum Thema Charlie Hebdo und der Auseinandersetzung mit dem Judentum und Israel auch:

http://forward.com/articles/212292/why-charlie-hebdo-must-be-free-to-offend-all-ev/

http://blogs.forward.com/the-shmooze/212244/when-charlie-hebdo-lampooned-jews-too/

https://web.archive.org/web/20140626021238/http://www.charliehebdo.fr/dossier/torah-71.html

Siehe dazu auch:

http://jungle-world.com/artikel/2015/03/51241.html

http://www.heise.de/tp/artikel/43/43809/1.html

http://www.huffingtonpost.de/2015/01/11/paris-attentat-verschwoerungstheorien_n_6450856.html

http://motherboard.vice.com/de/read/geballte-digitale-medienkompetenz-erklrt-charlie-hebdo-angriff-zu-false-flag-op

http://herrkarlsblog.blogspot.ch/2015/01/uber-inszenierung-undcui-bono.html

http://herrkarlsblog.blogspot.ch/2015/01/albrecht-muller-empfiehlt-andreas-von.html

Charlie Hebdo und die Verschwörungstheorien

Er und sein Kollege Breivik – Jebsen dreht weiter am Rad

Ken Jebsens Leichenfledderei (Teil 1)

Ken Jebsens Leichenfledderei (Teil 2)

Die Kentrail-Verschwörung 1

Die Kentrail-Verschwörung 2

Friedensdemo-Watch 1

Friedensdemo-Watch 2

Friedensdemo-Watch 3

Der Hass der Bescheidwisser

Die aktuellen Attacken von Verschwörungstheoretikern bedrohen den Journalismus

von Bernhard Pörksen

Es braucht nur ein paar Klicks, um in einen merkwürdigen, dunklen Fiebertraum abzudriften, eine schweißnasse Angstfantasie, die von einer Medienverschwörung handelt und einer dämonischen Gewalt, die uns alle manipuliert und systematisch belügt.

Die Mainstream-Medien – so heißt es derzeit in Blogs und Foren, in zahllosen Mails an Redaktionen, in wütenden Postings auf Facebook und tausendfach geklickten angeblichen Entlarvungsfilmchen auf YouTube – massieren unsere Gehirne, bis wir die Wahrheit für die Unwahrheit halten und die Illusion für die Realität. Diese Mainstream-Medien, meint man da, hetzen gegen Russland und vergöttern Amerika. Sie reden von dem moralischen Kampf des Westens um Werte und Menschenrechte und meinen doch nur den blutigen Krieg um Rohstoffe und Erdöl. Und schlimmer noch: Sie werden selbst gesteuert, diese Mainstream-Medien, wahlweise vom transatlantischen Lobbyorganisationen, der Nato, den Geheimdiensten, der Hochfinanz, den Rothschilds, den Juden und manchmal auch von gänzlich diffusen Mächten.

Kurzum: Die Idee einer Medienverschwörung – die ideologisch verschärfte Spielform einer ohnehin verbreiteten Medienverdrossenheit – ist momentan schwer in Mode. Sie geistert durch Blogs, die „Propagandaschau“ heißen. Sie ist der Subtext bei den Demonstrationen von Pegida und den Aufmärschen der „Hooligans gegen Salafisten“. Sie findet sich in den Web-Sendungen von „KlagemauerTV“ oder der deutschen Variante von „Russia Today“. Man entdeckt sie in den Videos der geschassten Moderatoren Eva Herman und Ken Jebsen, dem Umfeld des Rechtspopulisten Jürgen Elsässer oder den Veröffentlichungen von Udo Ulfkotte, Autor des Verschwörungsbuchs „Gekaufte Journalisten“, das sich seit Wochen auf den Bestsellerlisten hält.

Es ist ein gegen die etablierten Medien gerichteter Hass, der diese besonders im Netz verankerte Gegenöffentlichkeit eint. Hier findet sie ihre eigenen Kanäle, Plattformen und Formate. Ihre Vertreter attackieren die „Systempresse“, die „Lügenpresse“ und die „Propagandamedien“, sie schreiben von einem „geistigen Umerziehungslager“, von einem „gleichgeschalteten Medienapparat“ und der Wiederkehr der Nazi-Methoden zur Unterdrückung und Ausgrenzung unerwünschter Auffassungen.

Man kann sich nach erlittener Lektüre all der Postings und Wutbeiträge in einem Anfall ebenso hilfloser wie falscher Arroganz fragen: Sind dies nicht einfach nur schrille Spinner, gleichsam der Narrensaum der Republik? Und muss man die Idee einer Medienverschwörung überhaupt ernst nehmen? Die Antwort lautet: Man muss, denn hier nimmt eine mögliche Zukunft öffentlicher Auseinandersetzung Form an. Hier zeigt sich, in Gestalt des Extrems, eine Antiutopie des Diskurses, die weit über das aktuelle Getöse hinaus weist.

Ein drohender Dialog- und Kommunikationsinfarkt wird hier sichtbar, der einer offenen Gesellschaft gefährlich werden kann. Denn die zu Ende gedachte Manipulationsidee widerspricht so ziemlich allem, was diese offene Gesellschaft ausmacht.

Das fängt beim Menschenbild an. Die radikalen Anhänger einer Medienverschwörung verbreiten eine Anthropologie, die den Einzelnen als unmündiges Opfer betrachtet. Als Opfer von Manipulationsmächten, die im Geheimen operieren. Der Einzelne, das ist die logische Konsequenz, ist im Zweifel unwichtig und verzichtbar. Er versteht ja ohnehin nicht, was in Wahrheit hinter den Kulissen gespielt wird. So schält sich aus der pauschalen Manipulationsidee ein Plädoyer für autoritäre Lösungen heraus – eine Verachtung des Individuums. Mehr noch: Der Abschied vom Mündigkeitsgedanken kann im Extremfall als „ideologische Selbstermächtigung zur Gewalt“ (so der Philosoph Hermann Lübbe) taugen. Schließlich muss den Andersdenkenden – den womöglich vernagelten, schlicht verblödeten oder manipulierten – notfalls mit allen Mitteln gezeigt werden, was wirklich gespielt wird.

Im Paralleluniversum ihrer Foren und Hassbücher konstruieren die Propheten einer großen Medienverschwörung eine Art Kriegs- und Ausnahmesituation, die keine Zeit mehr zu lassen scheint für unvermeindlich zeitraubende Erörterung und ein Denken in Alternativen. Widerstand ist gefordert, unbedingte Gegenwehr ist verlangt. Die Stimmung ist fiebrig, seltsam überhitzt. Von Schriftstellern wie Thor Kunkel wird sie noch geschürt – nur ein paar Kostproben aus einem kürzlich erschienenen Sammelband mit dem Titel „Attacke aus den Mainstream“: Hier schreibt Kunkel, die Medien seien „aus Prinzip antideutsch eingestellt“, Deutschland sei nach 1945 „von außen, von fremden Mächten“ das Rückgrat entfernt worden, und das gesamte Land Opfer eines „repressiven Gesinnungskartells“ der politischen Meinungs- und Medienmacher. Worum geht es? Das geheime Ziel, meint Kunkel, sei der „schleichende Genozid an den Deutschen“, der geplante „Volkstod“ im Namen einer „düsteren Zivilregion namens Holocaust“ – auch dies nicht eben eine Form der öffentlichen Rede, die noch zur Debatte taugen, gar zu ihr einladen würde. Hier ist man, gedanklich zumindest, im Krieg; hier geht es um Sieg oder Niederlage, Tod oder Leben. Warum also noch sprechen?

Offensichtlich ist: Die Verschwörungsidee, deren Extremform eine blutige Spur durch die Menschheitsgeschichte zieht, stiftet apodiktisch Scheinklarheit. Sie täuscht den Durchblick vor und taugt gerade in Krisenzeiten als eine Wertformel des Übels. Ihre Funktion ist simpel. Sie ordnet ein eben noch diffuses Unbehagen auf eine einzige Ursache hin. Für einen gelassenen Beobachter mag die Welt insgesamt als eine Grauzone erscheinen, als ein Wirrwarr verschlungener Interessen, ein riesiges und in jedem Fall nuancenreiches Mischbild, das sich selten eindeutig Schwarz-Weiß-Zeichnungen fügt.

Dem Verschwörungstheoretiker hingegen wird letztlich jedes Detail zum Indiz, zum Beweis seiner großen, so entschieden vorgetragenen These, die von den Kräften des Bösen und dem zum Feind erklärten anderen handelt. Und so sammelt er mit großer Energie die Fehlleistungen der verachteten Mainstream-Medien und summiert – beispielsweise – tatsächliche oder vermeintliche Versäumnisse in der Ukraine- und Russland-Berichterstattung zu einem pauschalen Verdacht. Der konkrete Fall ist dabei stets Beleg für die allgemeine Wahrheit der Konspiration.

Erkenntnistheoretisch zeigt sich in der sorgfältigen Addition von angeblichen oder tatsächlichen Auffälligkeiten der Berichterstattung eine eigenwillige Mischung aus Totalzweifel und Wahrheitsemphase – oder einfach formuliert: Verschwörungstheoretiker zweifeln pauschal an der offiziellen Berichterstattung, aber eigentlich nie an sich selbst und den Ergebnissen eigener Recherchen, weil sie eben doch ganz genau wissen, wer die wahren Drahtzieher sind und was wirklich gespielt wird.

Ein solches Denken hat verführerischen Charme für den Einzelnen, zugleich ist es für den öffentlichen Diskurs gefährlich, weil sich der Verschwörungstheoretiker gegen eine mögliche Widerlegung immunisiert. Jeder Einwand wird von ihm blitzschnell eingeordnet, integriert – und entschärft.

Verschwörungstheoretisch argumentieren heißt eigentlich: der Debatte in der Sache durch die Entlarvung des anderen auszuweichen, denn alles ist bloß Chiffre und Zeichen, ist Indiz von Propaganda und Manipulation. Ist nicht auch, so fragen geübte Konspirationsfantasten, die Kritik der Verschwörungstheorie letztlich nur als Beleg einer Verschwörung? Verwenden die sogenannten Qualitätsmedien, wie es in den entsprechenden Foren und Blogs heißt, diesen Kampfbegriff der CIA nicht lediglich, um ihre bröckelnde Autorität durch die Psychiatrisierung von Kritikern zu retten? Es braucht im Internet nur ein paar Klicks, um sich bei Bedarf mit derartigen Argumentationshilfen zu versorgen.

Schließlich taugt das Netz selbst als Katalysator des verschwörungstheoretischen Denkens – frei nach den Mantra von Marshall McLuhan: Das Medium radikalisiert die Botschaft. Der Grund ist, dass sich so einfach wie nie zuvor in der Geschichte der Kommunikation die einst an den Rand Gedrängten mit Gleichgesinnten verbünde und – mit guten oder schlechten Absichten – ihre Isolation überwinden und überhaupt erst sichtbar werden können. Wer will, bekommt für jede Idee eine Plattform, oder er schafft sich diese selbst. Und wer möchte, findet auch im Akt des Suchens blitzschnell Bestätigung – ohne dass diese Beweise und Bestätigungen notwendigerweise eine Art offiziellen Glaubwürdigkeits- und Realitätsfilter passiert haben müssen.

Der Einzelne ist damit endgültig zum Regisseur seiner Welterfahrung geworden. Er vermag sich aus unendlich vielen Quellen eine private Wirklichkeit zusammenzubasteln, die ihm als allgemeingültige Realität erscheint. Das eigene Denken kann vor dem Horizont der Fülle frei flottierender Deutungen flexibel werden, aber es kann sich eben auch panzern, abschotten und in eine selbst gebaute Echokammer einschließen, in der dann etwa die böse Botschaft von der Medienverschwörung von überall her erschallt. Kurzum: Es ist im digitalen Zeitalter unendlich leicht geworden, Parallelrealitäten und gleichsam wasserdicht versiegelte Mikroöffentlichkeiten zu erschaffen, die sich von den Überzeugungen der Allgemeinheit lösen. Was aber heißt es für das Ideal des Diskurses, wenn die Panzerung des Denkens problemlos möglich wird? Droht die Herrschaft des Wutnomaden, der vereinzelten Sofort-Bescheidwisser, die einfach nur ihren Hass auskübeln wollen? Und wie könnte man vonseiten der gescholtenen Medien im momentanen Reizklima reagieren?

Die Zeiten der Exklusion, der selbstherrlich gelebten Arroganz und der symbolisch oder faktisch errichteten Scheiterhaufen sind vorbei – und das ist, selbstverständlich, eine gute Nachricht, ein Positiveffekt der aktuellen Medienrevolution. Und ignorieren lässt sich die Stimmung aus Verschwörungsrede, Medienverdrossenheit und berechtigter Medienkritik nicht mehr wirklich, dazu ist sie längst zu massiv.

Natürlich muss man antiamerikanische, antisemitische und schlicht menschenfeindliche Denkweisen kritisieren, dies unbedingt. Aber sonst? Der gegenwärtige Journalismus leidet auch an den Spätfolgen der Intransparenz, die er selbst mit befördert hat. Fatal wird es, wenn einzelne Journalisten dann auch noch schlimmste Vorurteile der Verschwörungstheoretiker bestätigen – wie der RTL-Journalist, der sich vor der Kamera der NDR fälschlich als Pegida-Demonstrant ausgab, weil er wohl meinte, sich nur so in das Milieu einschleichen zu können.

Die gläserne Redaktion ist eine Illusion, aber nötig ist doch eine entschiedenere Selbstaufklärung der Branche, eine Bereitschaft, eigene Arbeitsweisen zu begründen, Fehler zu benennen, Vorurteile zu zerstreuen. Das Publikum weiß oft nicht – dies zeigen Befragungen darüber, wie Medien arbeiten -, wie Themenideen und Nachrichten zustande kommen und in welchem Maße Qualität heute erkämpft werden muss, weil die Finanz-Controller längst auch in die Redaktionen einmarschiert sind.

In Zeiten der Glaubwürdigkeitskrise und der porös gewordenen Geschäftsmodelle, in einer Phase der Diskursverhärtung und vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Veränderung von Öffentlichkeit braucht es einen neuen, weniger asymmetrisch organisierten Pakt zwischen den Journalisten und ihrem Publikum, ein großes Gespräch auf Augenhöhe, das die Uralt-Tugenden des Dialogs – Nahbarkeit, echtes Interesse, die Bereitschaft zum Perspektivwechsel – in moderne Formen überführt. Mit der ideologisch-radikalisierten Fraktion der Verschwörungstheoretiker wird man kaum reden können. Aber mit Blick auf die vielen, die anders denken, ist der dialogische Austausch alternativlos, denn eine Demokratie lebt von dem Grundvertrauen in ihre Informationsmedien. Als warnendes Beispiel für den drohenden Diskursinfarkt sind – so gesehen – vielleicht sogar selbst die Verschwörungstheoretiker irgendwie nützlich. Sie machen klar, was auf dem Spiel steht.

Pörksen, 45, ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Zuletzt veröffentlichte er – gemeinsam mit Friedemann Schulz von Thun – das Buch „Kommunikation als Lebenskunst“ (Carl-Auer-Verlag).

Erschienen in DER SPIEGEL Nr. 2 / 5.1.2015